Wer sich am Grauen Star operieren lässt, möchte vor allen Dingen eins: endlich wieder gut sehen. Durch die Entfernung der trüben Linse sind dafür die besten Voraussetzungen geschaffen. Wer die implantierte Kunstlinse im Vorfeld geschickt auswählt, legt den Grundstein für exaktes Sehen ganz ohne Brille.
Ein Blick in die Geschichte der künstlichen Augenlinsen
Im zweiten Weltkrieg versorgte der junge Augenarzt Harold Ridley an den Augen verletzte Mitglieder der britischen Armee. Die Piloten der Royal Air Force erlitten häufig Splitterverletzungen, wenn die Kanzeln der Flugzeuge im Gefecht kaputt gingen. Der Augenarzt machte dabei eine erstaunliche Beobachtung: Auch in den Augen der Piloten, die schon länger einen Splitter im Auge trugen, waren keine Abstoßungsreaktionen zu sehen. Das wäre aber zu erwarten gewesen, denn der menschliche Körper mobilisiert normalerweise umgehend sein Immunsystem, um eine körperfremde Substanz wieder los zu werden. Harold Ridley hatte daraufhin eine Idee. Wenn der Körper das Plexiglas aus den Flugzeugfenstern nicht abstößt, vielleicht war es dann möglich, aus diesem Material Linsen herzustellen, die dauerhaft im Auge verbleiben? 1949 implantierte der Augenarzt zum ersten Mal eine Linse aus Plexiglas bei einer Patientin mit Grauem Star. Er legte damit den Grundstein für die moderne Kataraktoperation.
Was Kunstlinsen heute können
Heute stehen Menschen mit Grauem Star eine Vielzahl an Linsen zur Verfügung, die bei einer Operation ins Auge eingesetzt werden können. Linsen aus Plexiglas werden immer noch hergestellt, sie kommen mittlerweile jedoch nur noch relativ selten zum Einsatz. Heutige Intraokularlinsen bestehen aus verschiedenen Acrylaten. Es gibt unterschiedliche Größen und Formen – je nach Einsatzort im Auge. Außerdem unterscheiden sich moderne Kunstlinsen in ihrer optischen Wirkung.
Monofokallinsen haben einen Brennpunkt (Fachbegriff: Fokus). Das sind die Standardlinsen, die von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Monofokal bedeutet: Wenn Sie vor der Operation in der Ferne und in der Nähe schlecht sehen, müssen Sie sich entscheiden, ob Sie nach der Operation lieber eine Brille zum Lesen oder zum Autofahren tragen möchten. Bei einer Multifokallinse, also einer modernen Linse mit mehreren Brennpunkten, müssen Sie diese Entscheidung meist nicht treffen. Multifokallinsen sind dazu geeignet, in allen Entfernungen eine weitgehende Brillenunabhängigkeit zu ermöglichen.
Nah und fern scharf sehen: Multifokallinsen
Multifokallinsen liefern, ähnlich wie eine Gleitsichtbrille, mehrere Brennpunkte. Es gibt Multifokallinsen mit zwei oder drei Fokussen. Diese Brennpunkte bündeln das Licht und sorgen dafür, dass Gegenstände in der Ferne, in der Nähe und in einem Zwischenbereich (etwa da, wo ein Computerbildschirm steht) auf der Netzhaut scharf abgebildet werden. Etwa 80 % der Patienten, die eine Multifokallinse erhalten, führen nach der Operation am Grauen Star ein Leben ganz ohne Brille.
Geben Sie Ihren Augen Zeit
Wer sich für eine Multifokallinse entscheidet, sollte nach dem Eingriff etwas Zeit einplanen, um sich an den neuen Seheindruck zu gewöhnen. Multifokallinsen bieten dem Gehirn mehrere Bilder an. Für gewöhnlich dauert es einen Moment, bis sich unsere Nervenzellen auf dieses neue Angebot eingestellt haben und lernen, den jeweiligen Brennpunkt abzurufen. Das macht sich anfangs zum Beispiel bemerkbar, wenn Sie von einem Buch aufblicken und aus dem Fenster schauen. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase stellt sich das Gehirn problemlos auf das neue Sehen ein. Zudem haben Sie die Möglichkeit, vorab im Gespräch mit Ihrem Augenarzt die richtige Multifokallinse auszuwählen. Wer zum Beispiel viel liest oder gerne näht, sollte auf eine Multifokallinse setzen, die besonders nahbetont wirkt.
Ihr Arzt wird Sie beraten
Ein Theaterstück ansehen, sich vor dem Spiegel zurecht machen, Gemüse schneiden – Multifokallinsen geben vielen Menschen Freiheit und Komfort zurück. Gut zu wissen: Wer sich für den Einsatz einer Multifokallinse entschließt und bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, erhält einen Zuschuss von seiner gesetzlichen Krankenversicherung. Ihr Arzt wird Sie über die Kosten informieren. Wenn Sie sich eine Multifokallinse einsetzen lassen möchten, sollten Sie vorab mit dem Augenarzt klären, ob alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Linsen mit mehreren Brennpunkten können die Blendempfindlichkeit in der Nacht erhöhen. Deshalb kann es sein, dass Menschen, die aus beruflichen Gründen viel Auto fahren, mit einem anderen Linsentyp besser versorgt sind. Außerdem ist es für den Einsatz einer Multifokallinse wichtig, dass mögliche weitere Erkrankungen des Auges bekannt oder ausgeschlossen sind.